Analoge Anwendung von § 179a AktG auf andere Gesellschaftsformen bei Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens? | Fieldfisher
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Analoge Anwendung von § 179a AktG auf andere Gesellschaftsformen bei Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens?

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Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. zur Rechtslage bei der Publikums-KG

Nach § 179a Abs. 1 AktG sind Verträge, die das gesamte Vermögen einer Aktiengesellschaft (AG) betreffen, ohne einen zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss unwirksam. Es war lange fraglich, ob diese spezielle Regelung für andere Gesellschaftsformen entsprechend gilt, was mit weitreichenden Folgen verbunden wäre. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies bereits für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und bestimmte Kommanditgesellschaften (KG) verneint. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hat dies für die Publikums-KG letztes Jahr auch unter gewissen Voraussetzungen abgelehnt.

Rechtlicher Hintergrund der Entscheidung

Gemäß § 179a Abs. 1 AktG bedarf ein Vertrag, durch den sich eine AG außerhalb des Umwandlungsgesetzes zur Übertragung ihres ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, eines mit mindestens ¾-Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses nach § 179 AktG, auch wenn damit keine Änderung des Unternehmensgegenstandes verbunden ist. Ein unter Verstoß hiergegen abgeschlossener schuldrechtlicher Vertrag ist bis zur zustimmenden Beschlussfassung schwebend unwirksam. Lehnt die Hauptversammlung einen entsprechenden Beschlussvorschlag ab, wird der Vertrag endgültig unwirksam und ist sodann rückabzuwickeln.

Die strenge Regelung und ihre ins "Außenverhältnis" zum Vertragspartner reichende Rechtsfolge sind ein gesellschaftsrechtlicher Sonderfall. Üblicherweise entfalten gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Regelungen, nach denen Geschäftsleitungsorgane für bestimmte Rechtsgeschäft einer Zustimmung der Gesellschaftsorgane bedürfen, grundsätzlich nur Wirkungen im "Innenverhältnis" der Gesellschaftsorgane. Sie können daher zwar gegebenenfalls Schadenersatzansprüche der Gesellschafter gegen die handelnden Geschäftsleiter begründen, entfalten allerdings Dritten gegenüber grundsätzlich keine Wirkung, es sei denn diese sind ausnahmsweise nicht schutzwürdig

Trotz ihres Ausnahmecharakters war geraume Zeit unklar, ob § 179a Abs. 1 AktG entsprechend auch für Gesellschaften in anderer Rechtsform gilt. Die Frage ist insbesondere auch für den Bereich der Immobilienfinanzierung von besonderer Bedeutung, da hier vielfach Strukturen mit Gesellschaften zum Einsatz kommen, deren Vermögen allein aus dem zu entwickelnden Grundstück besteht (sog. "PropCo"). Bei einer späteren Veräußerung des Grundbesitzes durch die PropCo ist dann zu prüfen, ob die Vorgaben des § 179a AktG entsprechend zu berücksichtigen sind.

Für die Praxis hat der BGH in jüngerer Zeit die Frage bezüglich der GmbH und bestimmter KGs geklärt. Das OLG Frankfurt a.M. hat sich nun mit der Thematik im Zusammenhang mit einer Publikums-KG beschäftigt und die analoge Anwendung zumindest in bestimmten Fällen verneint (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.09.2023, Az. 5 U 116/22). Die Entscheidung wird derzeit vom BGH überprüft (BGH, Az. II ZR 137/23).

BGH: Keine analoge Anwendung auf die GmbH

Da PropCos vielfach als GmbH verfasst sind, war für die Immobilienpraxis von besonderer Relevanz, ob bei Gesellschaften dieser Rechtsform § 179a AktG entsprechend zu berücksichtigen ist. Der BGH hat im Jahr 2019 dies angesichts der Unterschiede der Binnenstrukturen in der AG und in der GmbH verneint (BGH, Urt. v. 08.01.2019, Az. II ZR 364/18).

Er hat dies vor allem damit begründet, dass die Gesellschafter einer GmbH in deutlich höherem Maße Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben könnten, als dies Aktionären im Verhältnis zum Vorstand möglich wäre. Zudem stünden ihnen auch weitreichendere Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte zu als Aktionären. Da GmbH-Gesellschafter somit im Hinblick auf ein eigenmächtiges Handeln des Geschäftsführers im Vergleich zu Aktionären weniger schutzbedürftig seien, sei es nicht gerechtfertigt, die dem Gesellschaftsrecht grundsätzlich fremde Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers mit Außenwirkung in § 179a AktG, die mit einer Beeinträchtigung des redlichen Rechtsverkehrs einhergeht, Rechtsunsicherheit hervorruft und Haftungsrisiken schafft, auf die GmbH entsprechend anzuwenden. Dies gelte insbesondere bei der Veräußerung von Immobilien, bei der es für den Vertragspartner nur schwer erkennbar sei, ob der Kaufgegenstand das gesamte Vermögen der Gesellschaft erfasst.

Der mit § 179a AktG verfolgte Schutz der Anteilsinhaber werde im GmbH-Recht dadurch erreicht, dass die Geschäftsführer die Weisungen der Gesellschafter zu beachten hätten, die Geschäftsführer im Falle einer Veräußerung des gesamten Vermögens der Gesellschaft (unabhängig von einer entsprechenden Satzungsregelung) angesichts der Bedeutung des Geschäfts stets vorab einen genehmigendem Gesellschafterbeschluss einholen müssten und eine ohne einen solchen Beschluss abgegebene Willenserklärung des Geschäftsführers unter Berücksichtigung der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht im Außenverhältnis unwirksam sein kann, wenn der Geschäftspartner weiß oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht überschreitet. Zudem sei zu berücksichtigen, dass selbst wenn die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht nicht eingreifen, den Gesellschaftern Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer zustehen könnten.

BGH: Keine analoge Anwendung auf die "normale" KG

Anknüpfend an das vorstehende Urteil entschied der BGH später, dass § 179a AktG grundsätzlich auch keine entsprechende Anwendung auf KGs finde (BGH, Urt. v. 15.02.2022, Az. II ZR 235/20).

Auch hier begründet er die Ablehnung einer Analogie im Wesentlichen mit dem Argument, dass der mit § 179a AktG verfolgte Schutzzweck, die Gewährleistung einer gesellschaftsinternen Kontrolle durch die Gesellschafter bei Gesamtvermögensgeschäften, bei der KG bereits auf anderem Wege erreicht werde und es daher an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle. Er wies insbesondere darauf hin, dass nach der gesetzlichen Konzeption sowohl bei außergewöhnlichen (also außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs liegenden) als auch bei sog. Grundlagengeschäften grundsätzlich ein vorheriger einstimmiger Gesellschafterbeschluss erforderlich sei, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimme. Zudem spreche auch hier gegen eine entsprechende Anwendung der Schutz des redlichen Rechtsverkehrs durch die grundsätzlich unbeschränkbare Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers im Außenverhältnis. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Feststellung eines Gesamtvermögensgeschäfts für den Vertragspartner einer KG wegen der geringeren Bilanzpublizität im Vergleich zu einer Kapitalgesellschaft noch schwerer zu treffen sei.

Der BGH ließ allerdings ausdrücklich offen, ob dies auch für sog. Publikums-KGs gilt, deren Strukturen einer AG angeglichen sein. Diese primär steuerlich motivierte Strukturierung einer KG dient ähnlich wie die AG der Kapitalsammlung durch einen größeren Kreis von Kommanditisten, die in der Regel keinen Einfluss auf die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags nehmen können und im Wesentlichen als Investoren auftreten.

Urteil des OLG Frankfurt a.M. zur Publikums-KG

Diese Frage war nun Gegenstand des oben genannten Urteils des OLG Frankfurt a.M.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt beabsichtigte eine Publikums-KG die Veräußerung des gesamten von der Gesellschaft gehaltenen Grundbesitzes. Zwar stimmten die Gesellschafter dieser Veräußerung mehrheitlich im Beschlusswege zu; eine ¾-Mehrheit wurde allerdings nicht erreicht.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. war dies zur Fassung eines wirksamen Beschlusses ausreichend, da nach dem Gesellschaftsvertrag der Publikums-KG Beschlüsse über den Beschlussgegenstand mit einfacher Mehrheit gefasst werden können. Insbesondere käme auch eine entsprechende Anwendung von § 179a AktG auf eine Publikums-KG mangels Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Gesellschafter – wie im vorliegenden Fall – aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen einer Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müssen.

Rechtliche Bewertung und Folgen für die Praxis

Das OLG Frankfurt a.M. schließt eine analoge Anwendung des § 179a AktG auf Publikums-KG nicht vollumfänglich aus, sondern lehnt eine solche nur in bestimmten Fällen ab, in denen der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft vorsieht, dass vor der Übertragung des gesamten Vermögens ein Gesellschafterbeschluss einzuholen ist, und lässt die Frage im Übrigen mangels Entscheidungserheblichkeit offen. Für die Praxis ergeben sich durch die Differenzierung bei Beteiligung einer Publikums-KG für den Rechtsverkehr nach wie vor Unsicherheiten. Denn der Gesellschaftsvertrag einer KG ist – anders als der Gesellschaftsvertrag einer GmbH oder die Satzung einer AG – nicht im Handelsregister veröffentlicht, sodass außenstehende Dritte nicht ohne Weiteres beurteilen können, ob der vom OLG Frankfurt a.M. benannte Ausschlussgrund einer gesellschaftsvertraglichen Regelung für eine analoge Anwendung des § 179a AktG einschlägig ist. Eine solche Rechtsunsicherheit bestand freilich auch vor dieser Entscheidung. Denn ob es sich bei einer KG um eine sog. Publikums-KG oder um eine "normale" (von der oben genannten BGH-Rechtsprechung erfasste) KG handelt, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls und für Geschäftspartner ggf. nicht ohne Weiteres zu erkennen.

Es bleibt abzuwarten, ob der BGH der Auffassung des OLG Frankfurt a.M. folgen wird und ob er die Gelegenheit nutzen wird, zu der Thematik im Rahmen eines obiter dictums grundsätzlicher Stellung zu beziehen (was im Sinne der Rechtsicherheit wünschenswert wäre). Bis zur abschließenden Klärung der Frage sollten insbesondere potenzielle Käufer und die Geschäftsführungsorgane bei Kaufverträgen unter Beteiligung einer Publikums-KG über deren gesamtes Vermögen prüfen, ob ggf. ein Beschluss analog § 179a AktG zumindest erforderlich sein könnte und zur Vermeidung von möglichen Rechtsnachteilen im Zweifel einen entsprechenden Beschluss einfordern.

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